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Endlich angekommen in der Königsklasse
Manchester City FC – BV Borussia 09 Dortmund (2.Spieltag)
(CH) „Verdammt stolz auf dich Borussia“. Bei diesem Satz war sich wohl jeder einig. Wurde einem nur wenige Sekunden vorher der verdiente Sieg durch eine fragwürdige Elfmeterentscheidung verwehrt. Aber von vorne.
Während eine kleine Delegation SuTo’s den durchaus gefährlichen Weg nach Manchester todesmutig auf sich nahm, trafen sich einige der Daheimgebliebenen zum Public Viewing in meinen heiligen Hallen. War man sich vor Anpfiff einig, dass man mit einem Punkt aus Manchester sehr gut leben kann, so revidierte man diese Meinung gleich nach Spielbeginn, da so ziemlich jeder spürte, dass heute mehr drin sein würde. War es anfangs noch ausgeglichen, so nahm unsere Borussia nach fortgeschrittener Spieldauer immer mehr das Heft in die Hand und auch die Borussen in Manchester trugen ihren Teil zu einer fantastischen Gänsehautatmosphäre bei. Diese schlug auch in meinem heimischen Keller um sich, waren wir doch sehr angetan von unserem Team und der herrschenden Stimmung im Stadion.
Man erspielte sich Chance um Chance, doch einzig und allein das Aluminium und Joe Hart verhinderten die verdiente Führung. In der Halbzeitpause nutzten die Mitglieder dann endlich die Möglichkeit des Toilettenganges, das Verzehren der nun mittlerweile kalten Pizza, denn keiner wollte auch nur eine Sekunde dieses Spiels verpassen. Nachdem letztendlich noch eine große Kanne Baldriantee gekocht wurde, ging es auch schon weiter. Nach dem Seitenwechsel bot sich das gleiche Bild. Die Mannschaft erspielte sich Chance um Chance und auch im Keller machte sich eine große Anspannung breit. Einige Fingernägel mussten bereits daran glauben, ehe uns Marco Reus in der 64. Minute erlöste. Sogar die Maschine Buntwäsche, die stets im Hintergund lief, schien in diesem Moment andächtig stehen zu bleiben. Den Jubel war grenzenlos und auch sehr hart, denn eine Decke gibt nicht ohne Weiteres nach, wenn man in der Freude Überschwung die Deckenhöhe vergisst. Aua.
Wer mit wütenden Angriffen seitens City gerechnet hatte wurde enttäuscht, denn einzig und allein Dortmund drängte auf den zweiten Treffer und in der Folgezeit wurden auch wieder einige Hochkaräter liegen gelassen und so kam es wie es kommen musste. Hand? Elfmeter? Nein! Das darf doch nicht wahr sein. Fühlte sich der Punkt kurz nach Schlusspfiff wie eine Niederlage an, überwog jedoch der Stolz auf diese Mannschaft und ihrer gezeigten Leistung. Wer hätte schon damit gerechnet, auswärts so stark aufzuspielen? Und wenn das Team diese Leistung gegen Real wieder aufrufen kann, ist nichts unmöglich. Denn der BVB ist endlich in der Königsklasse angekommen!
CH ist seit Februar 2012 bei den SuTos dabei, hat im Hintergrund stets eine Maschine Buntwäsche laufen und vertickt beruflich allerhand Elektronik. Seine Freizeit verbringt er damit, Essen und Kunst zu vereinen. So wurde sein Currywurstbrunnen bereits für den Friedensnobelpreis nominiert.
Wie wir die Citizens niederbrüllten – oder: Englische C’s sind keine B’s!
Ein Blog-Beitrag von Sebastian Finkler und Daniel Mertens*
Endlich war es soweit. Die lang ersehnte erste Auswärtsfahrt der Saison in der Königsklasse ging nach Manchester. Seit Wochen hatten wir uns darauf gefreut und konnten es kaum erwarten, dass das Flugzeug von der Rollbahn in Richtung Empire abheben würde.
Während wir Autoren hier nun zusammensitzen und die Reise – frei nach Horst Hrubesch – noch einmal Paroli laufen lassen, stellen wir fest, dass wir mit zwei verschiedenen Grundeinstellungen nach England geflogen sind.
Sebastian: „Ich war doch ein wenig skeptisch hinsichtlich der Freiheiten für uns Gästefans in England.“
Daniel: „Warum denn das?“
Sebastian: „Nun, da ist insbesondere die Kartenpolitik von Manchester City zu nennen.“
Man City hatte – nach Rücksprache mit der örtlichen Polizei – sämtliche Bestellungen von offenkundigen Dortmundern für Blöcke außerhalb des Gästesektors kurzerhand storniert – und das in einigen Extremfällen sogar erst wenige Stunden vor dem Start der schwarzgelben Karawane in Richtung Nordengland kundgetan.
Daniel: „Aber City hatte doch vor dem Verkauf explizit darauf hingewiesen, dass alle Bestellungen storniert werden, die von Gästefans oder von Personen ohne Buchungshistorie getätigt werden. Insofern kann man City doch keinen Vorwurf machen für den Trotz, aus dem heraus die Dortmunder dennoch bestellt haben.“
Doch diese Ärgernisse aus dem Vorfeld waren schnell vergessen. Denn bereits am Mittwochmorgen färbte sich das Innere der Stadt in Schwarz und Gelb. Egal, wo man in Manchester auftauchte, man sah gelbe Trikots, Schals und Mützen. Der gemeinsamer Anlaufpunkt für alle Borussen war Piccadilly Gardens, ein Platz im Zentrum mitsamt einigen Pubs in unmittelbarer Nähe.
Wir entschieden uns für das Wetherspoons, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Chicken Wings. Als sich der Pub mit immer mehr Borussen füllte, trat genau das ein, was das Fan-Herz begehrt: Es entwickelte sich eine ausgelassene Stimmung mit lauten Gesängen, es herrschte schlichtweg pure Vorfreude. Einzig die Kellnerin Jenny dürfte es nicht sonderlich amüsiert haben, dass ihre Kollegin ihren Namen verraten hatte. Dieser wurde fortan natürlich fester Bestandteil des Liedguts. Das Wetherspoons war die ideale Einstimmung und ein guter Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte.
Um kurz nach 17 Uhr zogen schließlich alle Borussen aus der Stadt zurück zum Piccadilly Gardens. Es bot sich ein tolles Bild: 3000 Dortmunder versammelten sich im Herzen Manchesters zum gemeinsamen Marsch ins Stadion. In rund einer Stunde legten wir die knapp drei Kilometer bis zum Stadion zurück. Mit lautstarken Fangesängen zog die schwarzgelbe Masse durch die Innenstadt und lockte dadurch unzählige schaulustige Engländer an die Straßenränder. Dort sorgten freundliche, aber bestimmt auftretende Polizisten dafür, dass alles völlig friedlich und in ausgelassener Stimmung ablief.
Hier soll erstmals die englische Polizei lobend erwähnt werden. Bereits zuvor in der Innenstadt hielten sich die Gesetzeshüter erfrischend im Hintergrund, zeigten aber dennoch Präsenz und suggerierten damit, dass sie keinerlei Verstöße gegen das Gesetz tolerieren würden. Besonders angenehm war dabei die optische Erscheinung der Polizisten: Statt wie in Deutschland mit Helm und Ganzkörperprotektoren ausgestattet, neben dem Wasserwerfer stehend und der Hand quasi immer am Schlagstock standen die Polizisten in England mit ihren eigentümlich anmutenden schwarzen Hüten da und strahlten trotz auch ohne Schlagstock und sichtbare Waffen eine Autorität aus, die einem sagte: „Wir sind Dein bester Freund oder Dein größter Feind. Es liegt bei Dir!“ Dennoch offenbaren sich in diesem Punkt wieder zwei verschiedene Erfahrungen bei den Autoren.
Sebastian: „Das war wesentlich lockerer und gelassener, als vor einem Jahr in London. Diesmal gab es keine Knüppelhiebe beim Wasserlassen.“
Daniel: „Naja, die Polizisten in Manchester fand ich genauso wie in London. Solange man sich an die Regeln und Gesetze hielt, die einem im Vorfeld mitgeteilt wurden, konnte man mit ihnen sehr entspannt reden, sie waren nett, freundlich und hilfsbereit. Wenn man sich ihren Anweisungen jedoch widersetzt, dann zeigen sie einem schnell, wer der Herr der Lage ist. Aber das ist doch auch völlig okay.“
Gegen halb sieben erreichten wir schließlich das Stadion und strömten sofort in den Gästebereich. Hier sorgten orangene Ordner und gelbe Polizisten für eine klare Abgrenzung zwischen Heim- und Gästebereich. Auch hier traten sowohl die Ordner als auch die Polizisten superfreundlich auf – solange man sich an ihre Regeln hielt. Völlig überzogen erschienen daher die „ACAB“-Rufe einiger unverbesserlicher Borussen in Nähe des Ultra-Umfeldes, als es mit den Ordnungshütern kleinere Probleme wegen einiger Banner gab, die aufgehängt werden sollten. Die englischen C’s sind wirklich alles andere als B’s!
Die Stimmung im Gästebereich war von Anfang an bombastisch. Nur selten haben wir eine solch frenetische Unterstützung erlebt. 3000 schwarzgelbe Kehlen wollten ihre Borussia zum Sieg brüllen. Etwas eigenartig mutete die Konstellation im Stadion an. Links und rechts neben dem Gästeblock schienen exakt auch die stärksten Supporter der Citizens zu sitzen bzw. zu stehen. Jedenfalls fühlten sich die Engländer in diesen – und nur in diesen – Bereichen von der Stimmung aus dem Gästeblock herausgefordert, sodass sie sich auch einige Male lautstark zu Wort meldeten. Wir ließen uns jedoch nicht lumpen und können mit Fug und Recht behaupten, dass wir die Citizens zumindest auf den Rängen niedergebrüllt haben. Fast wäre dies auch auf dem Rasen von Erfolg gekrönt gewesen, doch deutsche Mannschaften haben fortan wohl ein Balotelli-Trauma.
Runter wie Öl gingen hingegen die Szenen nach dem Abpfiff. Während es für uns die international obligatorische Blocksperre gab, verließen die Citizens das Stadion. Und genau die Engländer, mit denen es links und rechts vom Gästeblock während des Spiels teils heftige verbale Konfrontationen gab, verließen das Stadion mit anerkennenden Blicken in Richtung Gästeblock. Zahlreiche Citizens applaudierten uns für den Support, den wir 90 Minuten lang abgelegt hatten. Und wir antworteten, wie es höfliche Gäste nach dem Spiel auch tun sollten, entsprechend und erwiderten die Anerkennung ebenfalls mit Applaus. Hier spielte sicherlich auch eine gewisse Überraschung auf schwarzgelber Seite eine Rolle. Einen Support wie teilweise von den Citizens links und rechts neben uns hatten wir in England generell und erst recht nicht beim Scheich-Team erwartet. Die Polizei stand übrigens dazwischen und hatte zu tun: Nichts! Rainer Wendt: So geht Polizei heute!
Doch auch von der englischen Polizei gab es Lob für die Dortmunder. Diese kommt auch in einer Twitter-Nachricht zum Ausdruck, die sich mit dem Verteilen von Süßigkeiten durch englische Polizisten an Dortmunder Fans im Stau nach dem Spiel bei starkem Dauerregen befasste.
Zusammenfassend kann man also von einer rundum gelungenen Reise sprechen. Wir freuen uns auf das nächste Gastspiel auf der Insel – vor allem aber auch auf das Rückspiel gegen Manchester City und das Wiedersehen mit den Engländern.
*) Daniel Mertens ist Mitglied der BVB Supporters Lennetal, Mitarbeiter bei dem Portal FANKULTUR.com und bloggt regelmäßig zu Themen rund um den BVB.
Das Borussen-Duell
BV Borussia 09 Dortmund – Borussia M‘Gladbach (6.Spieltag)
(CH) Nachdem ich bei dem Duell gegen die Frankfurter Eintracht leider arbeitstechnisch verhindert war, stand nun endlich auch für mich wieder eine Busfahrt in den schönsten Tempel Deutschlands an. An diesem Samstag machten sich also gut 30 Suto’s per Bus auf den Weg machten um unsere Borussia siegen zu sehen. Gespielt wurde gegen die falschen Borussen aus Mönchengladbach, welche auch noch nicht wie gewünscht in die neue Saison gestartet sind.
Nachdem wir leider relativ wenige Karten bekommen hatten (wir hatten wohl nicht alle unsere Teller aufgegessen) und man auch verletzungsbedingte Ausfälle zu verzeichnen hatte, machte sich letztendlich doch gegen 10:45 eine 26 köpfige SuTo-Truppe auf den Weg ins Westfalenstadion.
Da das Frankfurtspiel (Steffi‘s Geburtstag) unter der Woche stattfand und man ihn dementsprechend nicht ausgiebig feiern konnte nutze man anstehende Samstagspiel um diesen nachzufeiern. Versorgt und verpflegt „Die Mudda“ die SuTo’s doch seit zwei Jahren vom allerfeinsten und lässt sie sich kaum ein Spiel entgehen, so wurde sie auch im Laufe der Zeit zu einer sehr wichtigen Persönlichkeit im Fanclub. Alles Gute noch einmal an dieser Stelle von mir. Es wurde ausgelassen gefeiert, Geschenke überreicht, Ständchen gesungen, ehe das Mikrofon von dem weiblichen Anhang geentert wurde, um das ein oder andere Lied zum besten zu geben. Einige der Damen durften sich sogar über den gelben Recall-Zettel freuen!
Ansonsten verlief die Fahrt ruhig und ohne große Verkehrsprobleme erreichte man gegen 16:00 Dortmund. Zu früh, um nicht noch ein Bier zu naschen! Nach dem Verteilen der Karten wurden erstmal‘s die verschiedenen Gelüste der Mitglieder gestillt. Ob eine Meisterplatte oder Menü Eins am Schwimmbad, ein lecker kühles Pils vor dem Stadion oder auch mit diversen Kaltgetränken am Tennisheim, sowie netten und aufgeregte Gespräche mit anderen Anhängern. Bald darauf ging es auch schon ins Stadion um seinen gewohnten Platz einzunehmen und sich einzustimmen.
Man nutzte die Zeit vor dem Anpfiff um sich auf ein spannendes und nervenaufreibendes Spiel einzustellen, welches sich auch in den 30 Minuten absolut auf Augenhöhe erwies. Nachdem Marco Reus in der 35. Min unsere Borussia mit einer wunderschönen Einzelaktion zum 1:0 erlöste, schien der Knoten geplatzt und von nun spielte nur noch eine Borussia und zwar die aus Dortmund. Heraus kam ein ab diesem Zeitpunkt absolut ungefährdeter 5:0 Sieg mit wunderbar herausgespielten Toren.
Auf der Rückfahrt genehmigte man sich noch das ein oder andere Siegerbierchen, ehe man nach einer ereignislosen Fahrt Thalexweiler um 1:00 Uhr glücklich und zufrieden erreich hatte.
CH ist seit Februar 2012 bei den SuTos dabei, hat im Hintergrund stets eine Maschine Buntwäsche laufen und vertickt beruflich allerhand Elektronik. Seine Freizeit verbringt er damit, Essen und Kunst zu vereinen. So wurde sein Currywurstbrunnen bereits für den Friedensnobelpreis nominiert.
„Fußball ist kein Produkt“ – Doch.
Heute wird es seitens der BVB-Fans wie zu Beginn der Rückrunde der letzten Saison erneut einen Boykott des Auswärtsspiels in Hamburg geben. Die Initiative „Kein Zwanni“ ruft damit gegen sozial unverträgliche Eintrittspreise auf.
In der ganzen Diskussion wird Fußball entweder als Produkt betrachtet oder es wird reflexartig versucht, das Label „Produkt“ wieder vom Fußball abzukratzen. Neben der aktuellen Berichterstattung hatte zum Beispiel der Sportjournalist Hansi Küpper in seiner regelmäßig im Stadion- und Mitgliedermagazin erscheinenden Kolumne „Hansi Mondiale“ das Thema aufgegriffen. Zunächst ist dies sehr lobenswert, denn es zeigt einmal mehr, welch großes Echo die Aktion erzielen konnte und dass die Initiative „Kein Zwanni“ sich eine doch recht große öffentliche Plattform geschaffen hat. Was mir beim zweiten Blick jedoch missfällt, ist der Kanal, über den der Autor argumentiert.
Direkt im ersten Abschnitt ist von „Hardcore-Wirtschaftsliberalen“ die Rede. Außerdem schreibt Hansi Küpper: „’Fußball ist […] kein Produkt!‘ […] Und man muss beharrlich darauf hinweisen, dass die Grundsätze der freien Marktwirtschaft beim Fußball weitestgehend außer Kraft gesetzt sind.“ Dazu muss man sagen, dass es in Zeiten einer Wirtschaftskrise und wachsender wirtschaftlicher Ungleichheit (leider) überaus populär ist, auf das böse Bankensystem und marktwirtschaftliche Mechanismen im Allgemeinen zu schimpfen. Ich selbst bin in einer wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplin zuhause. Nun zähle ich mich nicht gerade zu den Hardcore-Wirtschaftsliberalen. Ich möchte aber versuchen, diese Argumentationsposition im Rahmen dieses Artikels einzunehmen, um aufzuzeigen, dass man Fußball durchaus als ein Produkt betrachten kann und dass diese Position in der Diskussion um den derzeitigen Trend in der Ticketpreispolitik der Vereine durchaus vertretbar ist.
Machen wir einen kleinen Versuch. Betrachten wir das Spiel und seine Verpackung einmal als Ganzes. Als ein nacktes Wirtschaftsgut, das angeboten und nachgefragt wird. Als ein Produkt.
Nun ist es meistens so, dass bei der Herstellung eines Produkts verschiedene Produktionsstufen durchlaufen werden und verschiedene Akteure an seiner Herstellung beteiligt sind. Dies sind zu aller erst die Spieler auf dem Rasen. Ohne sie gäbe es dieses Gut nicht. Dazu zählen außerdem Trainer, Sportdirektor, Präsidium. Sogar der Platzwart, der die Bälle einfettet, und der Typ, der die Glühbirnen der Rasenbeleuchtung auswechselt (sollte diese Stelle bald frei werden und man von dem Gehalt jeden Tag eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen können, bitte e-Mail mit der Stellenausschreibung an mich). Dazu können noch viele andere Akteure gezählt werden, die an der Produktion mitwirken, die ich aber jetzt nicht alle einzeln auflisten kann und möchte.
Einen großen Anteil am Gesamtkunstwerk haben jedoch wir, die Fans. Der „harte Kern“, den man vor allem auf Steh-, aber selbstverständlich auch auf Sitzplätzen findet. Speziell in einem Traditionsclub gilt: Wir sind die Konstante, wir sind immer da. In guten wie in schlechten Zeiten. Und mit unserer Performance in der Kurve tragen wir dazu bei, dass das Produkt eine enorme Qualitätsgarantie und sogar -steigerung erfährt. Was gibt z.B. den letzten Ausschlag für Geschäftsleute aus den Logen und VIP-Tribünen, ins Stadion zu gehen? Sicher, ein gewisses Grundinteresse am Fußball und dem Verein ist vorhanden. Aber darüber hinaus? Immer wieder ist von der „Super-Stimmung“ die Rede, die im Stadion geherrscht hat. Zur Unterhaltung der Eventfans gehört nicht nur das Spiel auf dem Rasen, sondern auch das Spiel auf den Rängen, die Gesänge, die Choreos, etc. Die Anzahl der Spiele, die ein solcher o.g. Zuschauer pro Saison sieht, kann man wohl an einer Hand abzählen. Sie treten im Stadion bloß als Konsumenten auf. Doch dies ist auch eigentlich nicht weiter schlimm: Sie zahlen in der Regel ihren sehr teuren Sitzplatz und gehen wieder nach Hause. Oder sie unterstützen den Verein über die Saison hinaus evtl. durch hohe Sponsoring-Beträge. So weit so gut, Fußball ist schließlich Volkssport und somit für alle da, auch für VIPs. Die Passivität eines gewissen Zuschaueranteils im Stadion nehme ich hin. Oft stehe auch ich gerne ein ganzes Spiel lang nur da und bewundere die Kunst und Schönheit des Spiels, meist mit offenem Mund.
Das entscheidende dabei ist jedoch, und darum geht es bei der ganzen Diskussion um die Ticketpreise: Wenn eine Verdrängung der Produzenten des Teilprodukts „Stimmung“ stattfindet, wird das Gesamtprodukt Fußball verändert, genauer gesagt: Die Qualität nimmt enorm ab. Durch hohe Ticketpreise können sich die Leute auf den Stehplätzen (oder allgemein: Die Vielfahrer, die in der Regel für die Stimmung verantwortlich sind) einen regelmäßigen oder im Extremfall gar einen einzelnen Stadionbesuch nicht mehr leisten. Bricht man diesen Prozess weiter herunter, sind am Ende keine Produzenten der Stimmung mehr da – das Produkt ist mitunter ein völlig anderes. Durch die hohen Preise herrscht in der Struktur der Stadionbesucher eine hohe Fluktuation: Weniger Dauergäste, mehr Einmalbesucher. Das Stadion ist zwar immer ausverkauft, aber die Zuschauer sind selten die Gleichen. Diese sind wie oben angenommen schlichte Konsumenten und produzieren keine Stimmung. Die alten Produzenten können folglich nicht ersetzt werden.
Der zweite Punkt, der folgerichtig aus dem ersten resultiert: Ist die bestehende neue Preispolitik und somit neue Zuschauerstruktur ein Dauerzustand, kann keine neue Fangeneration heranwachsen. Der Nachwuchs an Stimmungsproduzenten fehlt also. Das Produkt in seiner ursprünglichen Form ist auf lange Sicht entstellt. Die Vereine sägen also letzten Endes an dem Ast, auf dem sie sitzen. Es ist in ihrem eigenen Interesse, Fußball als Volkssport zu erhalten und für alle zugänglich zu machen. So erhalten sie sich ihre Basis, der immer zu ihnen steht – ungeachtet der aktuellen sportlichen Situation (betriebswirtschaftlich gesprochen erhalten sie sich ihre Stammkunden). Ich bin weit davon entfernt, zu sagen: Die Eintrittspreise müssen flächendeckend radikal reduziert werden, „Steher für sieben Euro für alle!“ Nein. Vielmehr sollten Preise so designt sein, um allen Schichten die Chance zu geben, in den Genuss des Kulturgutes Fußball (denn nichts anderes ist es letztendlich) zu kommen.
Es geht also bei der ganzen Diskussion um nicht mehr oder weniger als um den Erhalt eines zentralen Teils der Fankultur. Die Vorhölle dessen, was uns blüht, durfte ich letzte Saison selbst am Beispiel Arsenal London am eigenen Leib erfahren. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen. Es geht auch nicht darum, die ökonomische Terminologie zu verteufeln oder marktwirtschaftliche Mechanismen in Gänze abzulehnen, so geschehen in der Kolumne von Hansi Küpper und ihn vielen anderen mit ähnlichem Tenor. Davor warne ich. Das ist unseriös und letzten Endes auch unglaubwürdig. Vielmehr sollte es das Ziel sein, seine Argumentationsgrundlage sowohl in der Tiefe als auch in der Breite zu erweitern, um unsere Diskussionspartner und -gegner solide und nachhaltig überzeugen zu können. Auch leisten wir einen Beitrag zum Erhalt dessen, was wir alle lieben: den Fußball.
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